Der heilige Blindgänger

Der heilige Blindgänger.

 

Herr Frank B. aus Texas schreibt mir folgendes

 

Sehr geehrter Herr.
Ich möchte ihnen den beigelegten Heiligenanhänger für ihre Sammlung übersenden. Er gehörte meinem Vater und ist mir durch Umzugsarbeiten nach langer Zeit wieder in die Hände gefallen. Ich sehe mir gerne die Medaillen auf ihrer Seite an und möchte etwas beisteuern.
Mein Vater hat vom großen Krieg nie viel erzählt. Er war noch sehr jung als er eingeschifft wurde und es gegen Deutschland ging. Er hat bei der Anlandung am D-Day furchbares erlebt und nur selten in knappen Erzählungen darüber berichtet. Mein Vater ( vor einigen Jahren verstorben) war ein guter Mensch der seinen Nächsten liebte. Er wurde christlich erzogen und lebte dies auch aus. Als er den ersten Schritt in die französische Normandie machte wurde sein Glaube zutiefst erschüttert. Zu viele seiner Kameraden mussten ihr Leben lassen.
Wie durch ein Wunder überlebte er diese Schlacht unverletzt und als seine Einheit wieder neu aufgestellt war, ging es Richtung Seine. Die französische Bevölkerung aus den Fängen des Nationalsozialismus zu befreien war oberstes Gebot. Es waren harte Kilometer die mein Vater zurücklegen musste. Sehr groß war der Wiederstand des Feindes. Die Kampfhandlungen um Elbeuf waren für meinen Vater besonders traumatisierend. Aber die Operation musste vorangetrieben werden, da die Zeit drängte. Die erfahrenen deutschen Verbände igelten sich in den Häusern ein und in jeder Ortschaft wurde erbittert gekämpft.
Von einem der wenigen Erlebnisse über die mein Vater oft berichtete möchte ich ihnen jetzt berichten,
Es war ein bedeckter Morgen als wir gegen Elbeuf aufbrachen. Wir trafen auf erbitterten Widerstand. Viele Zivilisten liefen trotz des starken Feuers aus ihren Häusern. Eigentlich hätte diese Stadt umgangen werden sollen. Keine Ahnung warum das jetzt nicht s war. Als ich mit meinen Kameraden die ersten Häuserzeilen erreichte, fiel uns eine alte Frau auf die in einem Granattrichter kauerte. Ich zog sie heraus und brachte sie hinter unsere Linien. Dort gab ich ihr etwas von meiner letzten Schokolade und verabschiedete mich. Sie steckte mir ein Taschentuch mit unbekanntem Inhalt zu und umarmte mich. Dieu vous protège flüsterte sie mir noch zu und ab ging es wieder ins feindliche Feuer.
In einem Straßenzug kamen wir unter starkes MG Feuer. Meine Kameraden und ich kauerten uns in Häusernischen und versuchten miteinenander Verbindung zu halten. Plötzlich wurde aus einem Fenster über uns eine Handgranate mitten in unsere Gruppe geworfen. Ich war am nächsten dran und überlegte nicht lange. Um meine Kameraden zu schützen und die Explosion einzudämmen sprang ich auf und warf mich auf die Granate. Dies ist also mein letzter Tag auf Erden dachte ich mir.
Beim Sprung auf die Granate spürte ich auch das ich vom feindlichen MG Feuer an der Schulter getroffen wurde. Als ich auf der Granate zu liegen kam schloss ich meine Augen und wartete. Plötzlich erzitterte die Straße unter einer starken Explosion. Es war aber nicht die Granate auf der ich lag sondern eine Panzergranate nachstoßender eigener Verbände.
Die Granate auf der ich lag explodierte nicht. Es blieb ein Blindgänger. Als ich im Lazarett verarztet wurde wühlte ich in meinen Taschen und stieß auf das Taschentuch der alten Frau. Darin befand sich ein Heiligenanhänger.
Ihm schreibe ich zu, dass ich diesen Tag überlebt habe. Bis zum Ende des Krieges trug ich ihn bei mir.
Mein Vater hat mir diese Geschichte sehr oft erzählt und ich denke sie macht sich gut auf ihrer Seite.
Frank B.
 
 
Geschichte: Frank B.
Bilder: Bundesarchiv Koblenz
Übersetzung: Robert A.
Deutscher Lektor: Rene T.

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