Ein unediertes Heilig Rock Zeichen aus dem Internet

Ein unediertes Heilig Rock Zeichen aus dem Internet
von Werner Pick
 
Das Internet gehört heute wie selbstverständlich zu unserem Alltag. Das ist weithin bekannt. Das man dort aber auch auf neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte Triers bzw. der Heilig-Rock-Thematik stoßen kann, mag manchem neu sein und erstaunen.
Dieses Medium eröffnet den Teilnehmern die Möglichkeit über große Entfernungen zu kommunizieren, Bilder und Informationen auszutauschen und Hobbys und Interessen zu pflegen. Das gilt insbesondere auch für den Bereich der Hobby- Archäologie und der Sondengänger
In einem der bekanntesten Internetforen für Sondengänger fiel dem Autor im November 2003 ein Gegenstand auf, der von einem Forenmitglied1 mit der Bitte um Bestimmung unter der Rubrik „Knöpfe“ eingestellt wurde und der hier näher vorgestellt werden soll.
Wallfahrtszeichen, einseitig, o.J.
Messing verzinnt, achteckig (untere Ecke ausgebrochen) mit eingezogenen Seiten. Durchmesser 33 mm, Dicke 1 mm
Abb.1
Vorderseite: Die heilige Kaiserin Helena mit Nimbus, Bügelkrone und Schleier steht von vorn. Sie hält mit beiden Händen vor sich den heiligen Rock mit rundem Halsausschnitt, in fünf Falten leicht schräg abfallend, an waagerecht durch die Ärmel
gezogener Stange mit kugelförmigen Knaufenden. Zwischen dem Hl. Rock und ihrem rechten Arm ein Tau-Kreuz . Im Feld heraldisch rechts von ihr, oben der heilige Nagel. Darunter das Abendmahlmesser, heraldisch links oben Petrusstab, unten Würfel. Sie steht auf vier angedeuteten Hügeln. – Umrandung: Schnurmotiv im unteren Teil nicht durchgängig, vom Tau-Kreuz oben durchbrochen.
Abb. 2
Abb. 3 und Abb. 4
Detailansichten der abgebrochenen Befestigung
Rückseite:
Glatt mit rauer Oberfläche, in der Mitte ovale Erhebung darauf Reste einer Befestigungsvorrichtung (Dorn oder Öse) aus Eisen, korrodiert und ausgebrochen
 
Fundort dieses Zeichens ist in der Nähe von Wiesbaden. Es handelt sich um einen Streufund. Wie vom Finder zu erfahren war wurde das Abzeichen in einem abschüssigen Waldgelände abseits von alten Wegen gefunden. In einem Areal in dem, wie sich später herausstellte, 1796 im 1. Koalitionskrieg ein Gefecht zwischen Alliierten und Franzosen stattgefunden hat. Beifunde waren Hunderte von Musketenkugeln und Bleigeschoßspitzen.
Das Abzeichen reiht sich nahtlos in eine Gruppe von seltenen, frühen Heiligrock- Medaillen ein, die Hans-Joachim Kann in seinem Aufsatz: „Fragment einer unedierten frühen Heiligrock-Medaille“ aus 19962 ausführlich beschrieben hat. Es steht diesem Fragment in seiner Darstellung sehr nahe (Schnurkreis, Helena Darstellung, Reliquien) aber die äußere Form (das von Kann besprochene Exemplar ist rund) weicht von unserem Stück ab (vgl. Abb. 5).
Abb. 5
Ursula Hagen3 wiederum beschreibt ein sehr ähnliches Stück (ohne Tau-Kreuz) in Sechseckform (46 mm Durchmesser) welches sich im Antwerpener Musée Mayer v.d. Bergh (Inv.1135) befindet. (Abb.6)
Abb.6
Kurt Köster4 verweist auf eine vergleichbare Darstellung (rund, brakteatenähnlich) im Schnütgen Museum Köln und K.J. Gilles5 beschreibt ein ebenfalls rundes Exemplar im Bestand des Rheinischen Landesmuseums Trier ( Abb. 7 und 8).
Abb. 7 und Abb. 8
 
Unser Stück steht dem von Kann beschriebenen Fragment und dem Stück bei Hagen am nächsten. Alle Vergleichsexemplare werden ins 16. Jahrhundert in die Jahre der ersten Heiligrock -Wallfahrten 1512 – 1517 datiert. Kann weist zu Recht auf die frappierende Ähnlichkeit mit Helenadarstellungen auf Holzschnitten des 16. Jahrhunderts (Abb.7 und 8) hin.
          
Abb. 9 Holzschnitt 1516  Abb. 10 Holzschnitt Ablassbrief 1510
Welchen Verwendungszweck hatte unser Fundstück?
Bei der korrodierten Stelle auf der Rückseite könnte es sich um eine Öse handeln.
Die Verwendung als Brosche/Fibel scheidet aus da kein Nadelhalter erkennbar ist. Wenn sich ein solcher auf dem ausgebrochenen Teil befunden hätte, wäre die Ausrichtung der Befestigung eine andere. Außerdem ist die Befestigung zentral angebracht und wäre bei einer Fibel oder Brosche eher am Rand zu suchen.
Die Verwendung als Knopf im herkömmlichen Sinne (zum Schließen eines Bekleidungsteiles) ist ebenfalls eher unwahrscheinlich. Die Form mit den eingezogenen Seiten ist für den Alltagsgebrauch zu unpraktisch. Ebenso wie die Größe. Zudem waren und sind Knöpfe Massenware und kommen in größeren Mengen vor. Da es sich aber hier um ein Einzelstück und eine sehr sorgfältig ausgeführte Arbeit handelt kann man wohl nicht von Massenware sprechen.
Es handelt sich hierbei zunächst schlicht um ein Andenken an den Gnadenort wohin der Besitzer eine Pilgerreise unternommen hat. Vielleicht als Nachweis seiner Reise, als Geschenk oder Schmuck.
Neben dieser profanen Funktion ist ein solches Stück aus Sicht des Pilgers auch ein religiöses und sogar geheiligtes Zeichen sofern es durch Weihe oder Anrühren an die Reliquie mit dessen Kraft ausgestattet wird.
Drittens haben Pilgerabzeichen oft auch einen apotropäischen, einen Unheil abwehrenden Charakter. Sie sollen den Besitzer gegen Krankheit, Unwetter, Gefahren und Zauberei schützen.
Pilgerabzeichen wurden am Hut oder an der Kleidung getragen. Das Stück aus dem Schnütgen Museum besitzt drei Vorstanzungen für Löcher, das Stück im Rheinischen Landesmuseum Trier zwei Löcher. Unser Stück hatte vermutlich eine Öse. Eine andere Überlegung spricht auch für einen Dorn mit dem das Zeichen an einem Holzstab vielleicht einem Pilgerstab angebracht werden konnte.
Hat dieses Zeichen ein frommer Pilger irgendwann zwischen 1512 und 1517 auf dem Rückweg von seiner Pilgerreise nach Trier verloren?
Hat es evtl. Jahre später ein vom Wege abgekommene Wanderer dort verloren?
Oder wurde es 1796 als Glücksbringer oder zur Abwehr von Unheil und Gefahren von einem der am Gefecht beteiligten Soldaten mitgeführt?
Wir werden es wohl nie erfahren.
Die Entdeckung dieses bisher in der Literatur unbekannten Wallfahrtszeichens in einem Forum im Internet zeigt welche Chancen in diesem Medium liegen. Als überregionale Plattform für Sondengänger können Funde bestimmt und öffentlich gemacht werden.

1 An dieser Stelle sei Herrn Folkert Tiarks für die Vermittlung des Kontaktes zum Finder gedankt. Mit seiner Hilfe ist es gelungen, diesen Fund zur Veröffentlichung freizugeben und für die Sammlung des Autors zu erwerben. Herrn Dr. H.J. Kann und Herrn H.J. Leukel danke ich für die Fotos der Vergleichsstücke und den konstruktiven Gedankenaustausch.
2 Hans-Joachim Kann: Fragment einer unedierten frühen Heiligrock-Medaille, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter, 43 H 2,1997, 45-48
3 Ursula Hagen: Die Wallfahrtsmedaillen des Rheinlandes in Geschichte und Volksleben, Werken und Wohnen Band 9 , Köln 1973, Tafel 14, 2
4 Kurt Köster: Wallfahrtsmedaillen und Pilgerandenken vom Heiligen Rock zu Trier. In: Trierisches Jahrbuch 1959, 36-56, Abb. auf Tafel III,16
Karl-Josef Gilles: Unbekannte Wallfahrtsmedaillen und Pilgerabzeichen des 16.-19.Jahrhunderts aus Trier. In: Landeskundliche Vierteljahresblätter, 42 H 3,1996, 105-115, Abb. 1.1

© COPYRIGHT Text: Werner Pick
© COPYRIGHT Bilder: Werner Pick und bei den vermerkten Urhebern
Erschienen in der Numismatik Zeitschrift "Trierer Petermännchen" Beiträge zur Numismatik und Trierer Heimatkunde Jahrgang 17 und 18 aus 2003 und 2004 (ISSN 0931-9328)
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